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Akademie 2021

We were/are the Future

Die dritte Edition der Akademie Exercising Modernity („Modernität üben“), einer polnisch-deutsch-israelischen Kooperation zur Förderung des intellektuellen und künstlerischen Austauschs, widmet sich der Art und Weise, wie sich die Moderne weltweit die Zukunft vorgestellt hat: mit einem neuen Menschen – neuen Männern wie neuen Frauen –, einer neuen Gesellschaft, neuen Lebensformen und einer neuen politischen Ordnung.

Die Last der Vergangenheit hinter sich lassen wollend, betonte die Moderne oft ihre Offenheit der Zukunft gegenüber. Man stellte sich das „Neue“ vor, das der Gesellschaft Frieden bringen wird, während die Idee des historischen Fortschritts die Hoffnung auf immer größeren Wohlstand für immer größere Teile der Menschheit nährte. Die Art und Weise, wie Gesellschaften neu organisiert werden könnten, galt als ein Thema, das für viele Modernisierungsstrategien und modernistische Projekte in ganz Europa von Interesse war. Zu den Schlüsselaspekten gehörten dabei die körperliche Gesundheit und Hygiene, Kindererziehung, Pädagogik und Bildung, Arbeitsteilung und Wirtschaft sowie Nation-Building. Diese Visionen wurden innerhalb diverser ideologischer Rahmen (wie etwa die zionistische Bewegung mit ihren Kibbuzim in Israel oder der Kommunismus in Ostmitteleuropa) in spezifische Strategien zur Organisation des kollektiven Lebens übersetzt, mit einer bestimmten Raumpolitik, aber auch mit Formen von Social Engineering. Die Kämpfe um neue Formen waren eng verbunden mit der Idee, die Kluft zwischen dem technischen Fortschritt und dem Privatleben zu überbrücken, ebenso mit dem Glauben an eine neue politische und soziale Ordnung. Wohnungsbau und Stadtplanung spielten in diesem Prozess eine Schlüsselrolle. Der Glaube an ihr emanzipatorisches Potenzial und ihre Rolle bei der Veränderung der Abläufe des Alltagslebens weckte ein steigendes Interesse an der Art und Weise, wie sich Objekte in Werkzeuge für den Aufbau einer staatlichen Identität umwandeln ließen sowie daran, wie die konstruierte und gestaltete Umwelt zum Ausdruck einer bestimmten Biopolitik wurde.

Dieser Prozess kann also als ein ambivalenter verstanden werden. Das Streben nach etwas radikal Neuem konnte einem bis dahin unbekannten Schrecken und Verfall weichen. Motoren des gesellschaftlichen und technischen Fortschritts wie Standardisierung, Normalisierung und Typisierung erwiesen sich dann als Grundlage für totalitäre Baupläne und räumliche Trennung – ersichtlich im stalinistischen Terror wie in der Schreckensgestalt des Nationalsozialismus, dem dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Moderne.

Die dritte Edition der Akademie Exercising Modernity, veranstaltet inmitten einer Pandemie und im Kontext der Klimakrise sowie der Fragen nach möglichen Zukunftsszenarien, die im Zentrum der öffentlichen Debatte stehen, bildet einen Versuch, auf einige der Ideen zurückzublicken, die den Glauben an die Zukunft vor einem Jahrhundert beflügelten. Die Erfahrung der Krise des Ersten Weltkriegs wird oft als der eigentliche Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet, und so wurde bereits spekuliert, das Jahr 2020 könne sich als ein vergleichbarer Auftakt zum 21. Jahrhundert erweisen.

Im Rahmen der Untersuchung der Schnittpunkte von Geisteswissenschaften, Architektur, Design, Kunstgeschichte sowie Sozial- und Politikwissenschaften möchten wir unsere Referent:innen und Teilnehmer:innen zu einer Auseinandersetzung mit dem einladen, was die Moderne heute für uns bedeuten kann. Es soll dabei das heutige Leben als ein Bereich reflektiert werden, das neues Handeln erfordert. Welche neue Welt können uns Kunst, Design oder Architektur versprechen und wie können sie uns dabei helfen, diese zu erreichen? Was können wir aus den modernistischen Experimenten lernen? Kann eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Ideen als Inspiration für Lösungen dienen, die gegenwärtig benötigt werden? Ist es möglich, aus ihren Fehlern zu lernen und das, was sie unvollendet gelassen haben, weiterzuentwickeln?

Unsere Akademie soll durch Vorträge, Seminare, Workshops und im zweiten Teil auch durch Reisen zum Nachdenken anregen.

Die Teilnehmer:innen nehmen an Seminaren, Vorträgen und Workshops teil, die von Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen durchgeführt werden, u.a. von Zvi Efrat, Sharon Golan, Shira Levy-Binyamini, Marci Shore und Robert Jan van Pelt.

Der erste Teil im Januar und Februar 2021 umfasste drei thematische Hauptabschnitte.

 

Themenabschnitt I: New Ideas and Visions

Im ersten Themenabschnitt, New Ideas and Visions, untersuchten wir das philosophische und historiographische Konzept der Moderne in seiner Beziehung zum „Neuen“ und zur Idee des Fortschritts hin zu einer besseren Zukunft. Entscheidend für die Moderne ist eine Auseinandersetzung mit der Tradition, welche Lebensbereiche wie Technik und Wirtschaft (Aufstieg des Kapitalismus), Religion (Säkularisierung) sowie Politik (Entwicklung von Nationalstaaten) betrifft. Im Osten und im Westen manifestierte sich dieser Prozess auffallend unterschiedlich, seine Zeitlichkeit divergierte in der je konkreten Erscheinungsform. Die Vorstellung von Zukunft, Vergangenheit und ihrer historischen Beziehung zueinander unterschieden sich jeweils.

Ein weiterer Bereich, der von der Moderne berührt wurde, waren die Künste, die den Modernismus als Stilrichtung hervorbrachten. Es stellt sich dabei die Frage, wie sich die modernen futuristischen Ideen materialisierten. Dem widmeten wir uns im zweiten thematischen Abschnitt.

 

Themenabschnitt II: New Art for a New Life

Die transnationalen Versuche des frühen 20. Jahrhunderts, einen neuen Mann bzw. eine neue Frau zu schaffen und eine neue Gesellschaft zu formen, lassen sich auch in der Kunst, im Design und in der Architektur aufspüren. Von der Reformierung der Wohn- und der Küchenräume bis hin zu Stadtplanung und Design erforschten die modernistischen Visionen das Potenzial von Objekten, die als identitätsstiftende Instrumente dienen konnten, gleichzeitig wurde die Rolle von Künstler:innen und Architekt:innen in den neuen Gemeinschaften umdefiniert. Moderne Kunst- und Architekturstrategien verkörperten und spiegelten diverse Widersprüche der Moderne wider und brachten dabei das ambivalente Potenzial modernistischer Projekte zum Ausdruck. Der Themenabschnitt New Art for a New Life richtete das Augenmerk auf Kunst, Design und Architektur als wichtige Bereiche der Gestaltung des täglichen Lebens und Mittel zur Umsetzung neuer Ideen, aber auch zur Regulierung, zur Kontrolle und als Mittel der politischen Propaganda.

 

Themenabschnitt III: New State and Society

Neue Visionen von Sozialstruktur und Gesellschaftsordnung gingen mit neuen Institutionen und Formen des kollektiven Lebens einher. Der Themenabschnitt New State and Society untersuchte die Manifestationen modernistischer Ideen in verschiedenen Teilen der Welt und konzentrierte sich dabei auf ihre ideologischen und politischen Hintergründe sowie deren Folgen für das gesellschaftliche Leben. Im Rahmen der Akademie befassten wir uns sowohl mit den historischen und sozio-politischen Kontexten der Modernismen als auch mit deren Erbe in unserem heutigen Leben und unserer Kultur. Ein Augenmerk wurde dabei auch auf die Ambivalenz dieses Erbes und die Auswirkungen auf das Europa des 20. Jahrhunderts gerichtet. Durch eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen wurden unsere Referent:innen und Teilnehmer:innen angeregt, über jene Aspekte der modernistischen Vision der Gesellschaft nachzudenken, die diejenigen, die nach Lösungen für die heutigen Herausforderungen suchen, immer noch inspirieren können.

Die Akademie Exercising Modernity wurde 2021 in zwei Phasen unterteilt: eine Winterphase, online, und die Frühjahrsphase, die vor Ort in Israel, Polen und Deutschland stattfindet (abhängig von den aktuellen Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie).

 

Termine der ersten Phase (online):

29.01.2021–31.01.2021

05.02.2021–07.02.2021

12.02.2021–14.02.2021

 

Termine der zweiten Phase (abhängig von den Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie):

spätes Frühjahr 2021 (Mai-Juni 2021)

 

Wir bieten:

  • kostenlose Teilnahme an der Akademie
  • im Falle des Stattfindens der zweiten, ortsgebundenen Phase partielle Übernahme der Reisekosten sowie Bereitstellung einer Unterkunft (Einzelheiten werden während der ersten Phase der Akademie bekannt gegeben)
  • Vorträge und Workshops, die von anerkannten und erfahrenen Wissenschaftler:innen, Kurator:innen und Künstler:innen gehalten werden,
  • ein spannendes Begleitprogramm,
  • für Absolvent:innen des Programms das Recht, ein während der Akademie konzipiertes oder entwickeltes Forschungs- bzw. künstlerisches Projekt für das Sonderstipendienprogramm des Pilecki-Instituts anzumelden, das sich den Fragen der Modernität des 20. Jahrhunderts widmet (Details werden Mitte 2021 bekanntgegeben).

 

Bewerbung:

Der Bewerbungsprozess für die Akademie 2021 ist abgeschlossen. Um die Teilnahme an der Akademie Exercising Modernity konnten sich Forscher:innen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften bzw. Künstler:innen bewerben, die aus Israel, Deutschland oder Polen kommen (bzw. in diesen Ländern ansässig sind).

Programm

Programm-PDF hier verfügbar.

Erfolgreiche Bewerber:innen

Caroline Adler, André Felipe Costa Silva, Juliane Henrich, Theresa Kampmeier, Agnieszka Kolacińska, Michał Kowalski, Vinicius Libardoni, Omri Livne, Marcin Nowicki | Noviki, Bartłomiej Poteralski, Urszula Prokop, Zemer Sat, Nitz Sharanga, Oran Sheinman, Maja Starakiewicz, Marcin Szczodry, Ekaterina Tewes, Yael Vishnizki-Levi

Organisation

Veranstalter:
Pilecki-Institut Berlin

Partner:
Adam-Mickiewicz-Institut
Liebling Haus – The White City Center

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