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Modernität üben

 

Die erste Edition des polnisch-deutsch-israelischen Interdisziplinarprojekts Ćwiczenie nowoczesności • Exercising modernity • Modernität üben, ist das Pilotprogramm eines intellektuellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Austauschs, welches sich an alle richtet, die sich sowohl für die Kunst und Geschichte Polens, Deutschlands und Israels, als auch für die Ideen der Zivilgesellschaft und der sozialen Gerechtigkeit interessieren. Zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Polens wird sich das Programm auf den Begriff der Moderne konzentrieren, und sich nicht nur mit der historischen, sondern auch der gegenwärtigen Bedeutung befassen. Letzteres umfasst dabei auch den revolutionären Einfluss neuer Technologien auf die Lebensweisen und den damit einhergehenden Herausforderungen. 

Der ideologische und konzeptionelle Rahmen des Programms basiert auf der Grundlage der drei sozial-kulturellen Phänomene der Zwischenkriegszeit. So führte zum einen die Idee der Bauhaus-Schule zu einer neuen Denkweise über den Wohnraum des Menschen, seiner Bedürfnisse und zur Frage der Rolle des modernen Künstlers für die Befriedigung und Förderung dieser Bedürfnisse. Zum weiteren sind es die Pläne Polens, in der Zeit zwischen den Weltkriegen, einen freien und demokratischen Staat zu begründen. Abschließend sei die Art und Weise zu erwähnen, wie die Moderne Anwendung in der Architektur des damals entstehenden Staats Israel fand und wie dessen „Weiße Stadt“ die weltgrößte Ansammlung jener Architektur bildet, die mit den avantgardistischen Grundsätzen der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts übereinstimmt.

Aufbauend auf den Phänomenen von Bauhaus, Gdynia und Tel Aviv, als Symbole interdisziplinärer und universeller Modernisierung, bieten wir ein umfassendes Kursprogramm, sowie begleitende Aktivitäten für die Öffentlichkeit an, um eine komplexe Betrachtung der verschiedenen Aspekte der Moderne zu ermöglichen.

Im Rahmen des Projekts Ćwiczenie nowoczesności • Exercising modernity • Modernität üben wollen wir uns mit der Frage befassen: Was bleibt von den damaligen Grundsätzen und ihren Auswirkungen bis in die heutige Zeit bestehen und inwiefern beeinflussen die damaligen Versuche noch das heutige Leben?

Gdynia – Bauhaus – Tel Aviv

Gdynia – ein Phänomen Polens in der Zwischenkriegszeit – ist nicht nur ein Beweis für die Auswirkungen der Ideen von Emanzipation und Modernisierung durch Architektur, Stadtplanung, oder Demokratisierung unter Verwendung technologischer Errungenschaften, sondern auch die Verknüpfung der Moderne mit dem Versuch eine neue und starke Eigenstaatlichkeit zu bilden. Es ist auch ein Symbol für eine offene, kosmopolitische Stadt, die ihre Identität auf der Grundlage der Gegenwart baut. Hingegen ist das Bauhaus ein Symbol für die Revolution des Denkens über das künstlerische Schaffen und das Verarbeiten und ist zudem ein Versuch, beides näher in Richtung der realen Bedürfnisse des Menschen und des täglichen Lebens zu bringen. 

Diese Haltung ist vor allem bei der Struktur und dem Lehrplan der Bauhaus-Schule und ihrer Einstellung gegenüber den bildenden Künsten, der Architektur, sowie im Industriedesign zum Ausdruck gekommen. So wurde versucht diese Ideen in Tel Aviv zu verwirklichen, wo in den 1930er Jahren die „Weiße Stadt“ entstand, welche die weltgrößte Ansammlung von Gebäuden ist, die im modernen und internationalen Stil errichtet wurden. Jüdische Architekten, die von diesen Ideen beeinflusst wurden und vor dem Nazi-Deutschland flohen, versuchten diese in ihrem neuen Staat zu verwirklichen und sahen sich dabei einem völlig anderen sozial-politischen Kontext und einem gänzlich anderen geografischem Umfeld ausgesetzt. Die Geschichte hat dazu beigetragen, dass sich diese Ideen, weitab vom ihrem Geburtsort, in einem unerwarteten Ausmaß verwirklichen ließen.

Das Zusammenprallen polnischer, deutscher und israelischer Geschichte scheint ein Zusammenprallem von Utopien mit einer schwierigen politischen und sozialen Realität, sowie mit einem jeweils individuellen Ausmaß. Ausgehend von zwei Symbolen der europäischen Moderne; auf polnischer Seite – Gdynia, und im Falle Deutschlands – das Bauhaus; in Bezug auf die geographisch weit entfernten, jedoch eng verbunden Leitgedanken, die zum Aufbau des Staats Israel beitrugen, wollen wir die Modernisierungsprozesse in ihrem historischen Kontext betrachten. Aber auch ihre Bedeutung für die Denkweise über die Identität all dieser Länder heute. 

In Bezug auf die Zusammenhänge zwischen diesen Orten, wollen wir uns darüber Gedanken machen, was die Moderne damals war und welche Elemente davon noch wichtig für ein modernes Denken sein können – welche Rolle das Erbe der Moderne an all den genannten Orten spielt und welche Auswirkungen es bei der praktischen Umsetzung moderner Utopien hat. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch fragen, ob wir heute noch ebenso große Visionen brauchen. Wie können sich heutige Künstler, Denker, lokale Akteure und Animateure der Kultur am Aufbau einer besseren Zukunft beteiligen? Wie können sie uns dabei helfen, uns an die Moderne zu gewöhnen und uns auf das vorzubereiten, was in ein paar Jahrzehnten die Lebens- und Arbeitsbedingungen, sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen oder die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen bestimmen wird? 

 

Schule 2018

Im Mittelpunkt des Programms Ćwiczenie nowoczesności • Exercising modernity • Modernität üben steht die Sommer-Herbstschule, welche von Oktober bis November 2018 an zwei Standorten stattfindet: In Gdynia und im Bauhaus Denkmal Bundesschule in Bernau bei Berlin. Das Programm richtet sich an polnische und deutsche Studenten der letzten zwei Jahre aus Kunst- und Geisteswissenschaften, sowie junge Künstler, Wissenschaftler und Kulturanimateure (bis 35 Jahre), wobei das Programm mit den nächsten Editionen auch auf Teilnehmer anderer Länder, wie Israel, ausgedehnt wird. Nach Abschluss eines Bewerbungsverfahrens werden jeweils acht Teilnehmer aus Polen und Deutschland ausgewählt. Das Programm, welches vom interdisziplinären Programm der Bauhaus-Schule und von polnischen Avantgarde-Künstlern der Zwischenkriegszeit inspiriert wurde, wird ein breites Spektrum von Themenbereichen umfassen – Kunst, Wissenschaft und Geisteswissenschaft von heute. Am Programm beteiligte Teilnehmer können ihre ursprünglichen Ideen nicht nur in den Dialogen mit den anderen Teilnehmern, sondern auch mit den Kuratoren, Wissenschaftlern und Künstlern aus Polen, Deutschland und Israel weiterentwickeln, die im Rahmen der Schule die Rolle der Dozenten übernehmen. Der Abschluss der Teilnahme am Programm umfasst den Entwurf eines Forschungs- oder Künstlerprojekts. Vom Witold-Pilecki-Institut für Totalitarismusforschung ist zudem ein Stipendienprogramm geplant, in dem ein ausgewählter Teil der künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Projektvorschläge verwirklicht werden wird. Die Teilnahme am Programm ist kostenfrei. Die Veranstalter übernehmen Reise- und Unterbringungskosten, sowie die Verpflegung der Teilnehmer. Das Programm findet auf Englisch statt.